„Stufenlehrerausbildung“

Textdokument - 1988

Dem Anfang der 1970er aufgebauten Kasseler Modell der Lehrerbildung war seit der Gründung der Hochschule eine zentrale Rolle für die Reform des Bildungswesens zugedacht worden: An der integrierten Gesamthochschule sollten die Lehrer:innen für ein nach Stufen – statt nach nebeneinander stehenden Typen – gegliedertes Bildungswesen mit der Gesamtschule als Zentralbaustein ausgebildet werden. In Erwartung der großen Reform wurden die Prüfungsordnungen für die Kasseler Stufenlehrerausbildung zunächst nur befristet erlassen. Die Gesamtschule konnte sich bundesweit nicht durchsetzen und in Hessen blieb die große Reform der Lehrerbildung aus. Die anderen hessischen Universitäten übernahmen zwar die in Kassel entwickelten Schulpraktischen Studien, bildeten aber weiter nach Schultypen aus. In Kassel musste man immer wieder Einschränkungen der ursprünglichen Reformpläne hinnehmen und die Prüfungsordnungen wurden immer wieder befristet verlängert. Intern wie extern stand insbesondere der Umfang und die Ausrichtung des erziehungs- und gesellschaftswissenschaftlichen Kernstudiums im Fokus der Kritik, beispielsweise vonseiten der CDU. In anderen Bundesländern stießen Kasseler Absolvent:innen auf Schwierigkeiten bei der Anerkennung ihrer Abschlüsse, obwohl sie, wie der Leserbrief von Gudrun Rick (Bild 3) zeigt, in der Berufspraxis oft sehr viel besser zurechtkamen als andere, denen eine Ausbildung, die Theorie und Praxis stärker verbindet, fehlte.

Nach der Abwahl der SPD-geführten Landesregierung 1987 machte die neue CDU/FDP-Regierung deutlich, dass das Durcheinander in der hessischen Lehrerausbildung ein Ende finden müsse. Die Kasseler Prüfungsordnungen sollten nicht mehr verlängert werden und die Kasseler Ausbildungsstrukturen denen der anderen hessischen Universitäten angenähert werden. In Kassel sah man das Vorgehen in der ideologischen Ablehnung des Stufenlehrermodells begründet. Hatte es lange Zeit interne Unstimmigkeiten gegeben, so standen nun alle Beteiligten hinter ihrem Modell der Stufenlehrerausbildung, gar der Oberbürgermeister setzte sich für den Erhalt von deren Spezifika ein. Die Auseinandersetzung zog sich hin, mal räumte das Ministerium Zugeständnisse ein, mal wurden sie wieder zurückgenommen. Über zwei Jahre dauerte es, bis eine Lösung erzielt wurde: Kassel konnte nahezu alle inhaltlichen Besonderheiten erhalten, nur das formale Etikett Stufenlehrerausbildung wurde gestrichen. Einzig das Unterrichtsfach Gesellschaftslehre, für das bisher in Kassel Lehrer:innen ausgebildet wurden, blieb nicht erhalten. Hier kehrte man den Fächer Geschichte, Sozialkunde und Erdkunde zurück, auch weil es an internem Konsens für das  gemeinsame Unterrichtsfach Gesellschaftslehre fehlte.