Streit im Gründungsbeirat

Audio - 1974

Der Gründungsbeirat, der ursprünglich aus Vertreter:innen der anderen hessischen Hochschulen und der vorhandenen Kasseler Einrichtungen bestand und für wichtige Fragen im Zusammenhang mit der Gründung Empfehlungen erarbeiten sollte, wurde zum Sommersemester 1972 umgebildet und nur mit Vertreter:innen aus der Hochschule besetzt. Nach zwei Jahren Arbeit geriet die Entscheidungsfindung angesichts der schwierigen Situation der Hochschule und ihres Reformanspruchs zunehmend ins Stocken. Im Konflikt um den Entwurf eines Gesamthochschulgesetzes wurden die beiden Fraktionen innerhalb der Hochschule sichtbar, jene, die eine stärkere Orientierung an den bisherigen universitären Strukturen wollten und jene, die radikalere Reformen wollten. Zentrale Streitpunkte waren Personal- und Organisationsstruktur der Gesamthochschule, insbesondere in der Frage einer einheitlichen Stellung aller Hochschullehrer:innen (Universitäts-, Fachhochschul- und Kunsthochschulprofessor:innen) gingen die Vorstellungen auseinander. Der Rücktritt von zehn Hochschullehrer:innen aus dem Gründungsbeirat war indes mehr dem Verfahren geschuldet. Sie sahen den Gründungsbeirat und damit die Hochschule als Ganzes bei den Beratungen des Gesetzes übergangen. Die Gründungspräsidentin und die Projektgruppe, denen viele die Unabhängigkeit gegenüber dem Ministerium absprachen, waren hingegen in vertraulichen Gesprächen in die Beratungen einbezogen worden.

Inhaltlich brachte die Neuwahl des Gründungsbeirats keine Veränderung, wie der abgebildete Bericht von Hochschullehrer Rolf Müller (GhK-Liste) verdeutlicht, die Blockbildung zwischen GEW-Fraktion und „GhK-Liste“ bestand fort, das Gesamthochschulgesetz blieb aus. Die Beobachter:innen der HNA sahen jedoch noch Hoffnung: Noch seien die Fronten innerhalb der Hochschule nicht so zementiert, dass vernünftige Lösungen unmöglich wären.