Christine Brückner: Eine notwendige Nachfrage

Unter den 25 Hochschullehrer:innen, die im Herbst 1971 für den Aufbau der universitären Lehrerbildung in den Bereichen Biologie, Physik, Mathematik, Germanistik, Anglistik, Pädagogik, Psychologie, Politologie und Soziologie neu berufen wurden, befand sich mit der Psychologin Brigitte Rollet nur eine Frau, die erst Ende Oktober in der Presse vorgestellt wurde. Die Kasseler Schriftstellerin Christine Brückner stellte daher in einem Leserbrief in der Hessischen Allgemeinen die berechtigte Frage, ob „gesamt“ nicht auch auf die Frage des Geschlechts zu beziehen sei.
An der Situation änderte sich in den 1970er Jahren zunächst nichts. Beim personellen Aufbau des neu gegründeten universitären Bereichs der Gesamthochschule blieb die Berufung von Frauen auf wenige Ausnahmen beschränkt. Dazu gehörten: die Erziehungswissenschaftlerin Ariane Garlichs (1972), die Biologinnen Luise Stange (1973) und Magdalena Straub (1975), die Romanistin Dorothea Möhle (1975), die Mathematikerin Rita Jeltsch-Fricker (1976), die Historikerin Heide Wunder (1977) und die Politologin Ingrid Haller (1979).
In jenen Bereichen, die zunächst weitgehend mit dem Personalbestand aus den Vorgängereinrichtungen arbeiteten, war die Situation geteilt. An der Höheren Fachschule für Sozialpädagogik, der evangelischen Höheren Fachschule für Sozialarbeit, der Hochschule für bildende Künste und dem Pädagogischen Fachinstitut waren zuvor jeweils mehrere Dozentinnen tätig und wurden zunächst als Fachhochschullehrerinnen, später als Professorinnen in die Gesamthochschule übergeleitet, für die neuen Organisationseinheiten Sozialpädagogik und Sozialarbeit wurden zudem neue Fachhochschullehrerinnen, später Professorinnen, berufen. In den Bereichen der beiden ehemaligen Ingenieurschulen, der beiden landwirtschaftlichen Ausbildungseinrichtungen und der Höheren Wirtschaftsfachschule war Agrarwissenschaftlerin Mechthild Rommel die einzige Frau. In Architektur, Stadtplanung und Landschaftsplanung erhielten erst in den 1990ern vermehrt Frauen eine Professur. In den Wirtschaftswissenschaften und den Ingenieurwissenschaften zeichnete sich eine langsame Öffnung erst nach 2000 ab.
Die Weichen dafür, dass die Hochschule 50 Jahre später Modell in Sachen Gleichstellung sein würde, wurden erst in den späten 1980ern gestellt.