1999
Zu Beginn des Jahres deutete vieles auf einen Neuanfang hin. Die Landesregierung hatte Ende 1998 ein neues Hochschulgesetz verabschiedet, das einen Paradigmenwechsel in Struktur und Organisation der Hochschulen einläuten sollte. Die Wahl aller neuen Gremien wurde zügig geplant, denn sie sollten auch einen neuen Präsidenten oder eine neue Präsidentin wählen, da das Ende der Amtszeit vom bisherigen Präsidenten Hans Brinckmann näher rückte.
Dann aber kam die Landtagswahl und mit ihr ein Regierungswechsel. Die CDU-FDP-Koalition brachte eine weitere Novelle des Hessischen Hochschulgesetzes ins Spiel, was in Kassel Verunsicherung auslöste und dazu führte, dass die Wahlen aller Gremien abgesagt wurden. Gemeinsam mit der neuen Landesregierung wurde eine Wahl des/der neuen Präsident:in durch die alten Gremien bestimmt, das letzte Stündlein des Konvents hatte also doch noch nicht geschlagen. Das bedeutete jedoch auch, dass die Ausschreibung der Stelle noch einmal von neuem beginnen musste. So wurde Präsident Brinckmann verabschiedet, eine Nachfolge war nicht in Sicht.
Über seinen Abschied wurde in einer Premiere berichtet, in der ersten Sendung des Hochschulfernsehens Univision. Von Student:innen produziert, ging das neue Magazin am 26. Juni 1999 erstmals im Offenen Kanal Kassel auf Sendung.
Im November konnten die Redakteur:innen von Univision nun endlich die möglichen Nachfolger für das Amt des Präsidenten der Hochschulöffentlichkeit vorstellen. Doch dann folgte die Ernüchterung: In sechs Wahlgängen erwies sich keiner der drei Kandidaten als mehrheitsfähig, das Interregnum von Vizepräsidentin, Vizepräsident und Kanzler ging weiter.
War der Paradigmenwechsel in Organisation, Leitung und Struktur der Hochschule ausgeblieben, so brachte das neue Hochschulfernsehen einen sichtbaren Wandel der Hochschulöffentlichkeit. Die studentischen Redakteur:innen nutzten die Potenziale der filmischen Darstellung ausgesprochen vielfältig, um über Themen zu berichten, die in der offiziellen Kommunikation eher randständig vorkommen und deren Relevanz in der audiovisuellen Darbietung stärker hervortritt. Besonders deutlich wird dies in einer Reportage über die Situation von Student:innen mit körperlichen Einschränkungen an der Universität. Es gilt aber auch für die Berichterstattung über den Empfang der Erstis, die als Schriftquelle eher wenig Aufmerksamkeit erzeugen würde.
Nur in schriftlicher Form wurde in diesem Jahr über ein neues Studienmodell an der Universität Kassel berichtet: das Studium im Praxisverbund. Erstmals begannen Student:innen, die parallel in Universität, Betrieb und Berufsschule lernen und arbeiten.
Ob Musik hingegen auch in der Zukunft in Kassel studiert werden könnte, war weiterhin ungewiss. Die Stadt Kassel und die Universität legten ein gemeinsames Konzept für ein profiliertes musikalisches Studienangebot in Kassel vor. Die städtische Musikakademie und die Fachrichtung Musik an der Universität sollten ihre Ausbildungskapazitäten vereinen. 320 Studienplätze in den vier Studiengängen Musikerziehung, Diplom-Musik, Musikwissenschaft und Musik als Fach in den Lehramtsstudiengängen waren vorgesehen. Die Stadt und die Universität bemühten sich beide, in der Überzeugung von der Bedeutung der Musikausbildung für das kulturelle Leben der Region, um eine Zustimmung des Konzeptes in Wiesbaden. Lange ließ die Entscheidung auf sich warten. Erst im April 2002 verkündete das Ministerium: Musik bleibt, die Fusion mit der Musikakademie Kassel und ein innovativeres Profil bleiben aus.