1997

War das vorige Jubiläumsjahr von Abwägungen zwischen Revisionsnotwendigkeiten und Visionsmöglichkeiten geprägt, so folgte nun der Entschluss: Vision durch Revision. Das neue Entwicklungskonzept legte die zu schließenden Fächer sowie einzustellenden Studiengänge fest und definierte die Bildung weiterer Forschungsschwerpunkte. Zugleich wurde die Zahl der Professuren von 380 auf 300 reduziert, um damit in den Folgejahren rund 100 Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter:innen einzurichten. Aus eigener Kraft sollten damit die zentralen Defizite der Hochschule, ihre zu große Fächerbreite und der Mangel an Mittelbaustellen beseitigt werden, mit dem Ziel, die wissenschaftliche Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit in der Forschung zu steigern. Für die integrierten Studiengänge war ebenfalls eine Revision vorgesehen. Bessere Studienabläufe sollten zu kürzeren Studienzeiten führen. Vor allem sollte die zweite, zum Universitätsabschluss führende Studienstufe, deren Einführung nun auch im Sozialwesen und in den Agrarwissenschaften begonnen wurde, gestärkt und attraktiv für internationale Studierende werden. Für den im Bundesvergleich hohen Anteil von zehn Prozent internationaler Student:innen sah man weiteres Entwicklungspotenzial. Als eine von acht Hochschulen in Deutschland nahm die GhK daher auch an einem DAAD-Förderprogramm zur Entwicklung international kompatibler Master-Programme teil und starte den Masterstudiengang Electrical Communication Engineering.

1997 war es aber nicht nur die Masse an internationalen Gästen, mit der die Kasseler Hochschule glänzen konnte, zwei Gäste erregten größeres Aufsehen. Während Prinz Charles als Freund des Ökolandbaus für Medienrummel im beschaulichen Witzenhausen sorgte, studierte die südafrikanische Botschafterin inkognito in Kassel. Die Einführung internationaler Bachelor- und Masterabschlüsse wurde unter anderem durch die geplante Revision der hochschulrechtlichen Rahmenbedingungen möglich. Nach Jahren des Hin und Her in Fragen der Stellen- und Mittelzuweisung war insbesondere in Hessen klar, dass das bestehende Hochschulgesetz aus dem Jahr 1978 überarbeitet werden muss. Die hessischen Hochschulpräsidenten akzeptierten die Einführung leistungsorientierter Elemente in der Mittelvergabe. Mit Zielvereinbarungen sollte im Gegenzug die Finanz- und Handlungsautonomie der Hochschulen gewährleistet werden. Das Wissenschaftsministerium plädierte für kleinere Gremien, mehr Selbstständigkeit, straffere Entscheidungsstrukturen und Evaluationselemente, die die Effizienz und Gestaltungsmöglichkeiten der Hochschulen stärken sollten.

Derweil wurde eine Schreckensvision – eskalierende Polizeigewalt auf dem Campus – Realität. Der Bauwagenplatz K18 wurde auf umstrittene Art und Weise geräumt. Während die Bauwägen ihr Ende fanden, wurden Student:innenhäuser aus Lehm 1997 ausgezeichnet. In einem Beitrag des Hochschulfernsehens Univision über die Wohnsituation von Student:innen aus dem Jahr 2000 wurden unter anderem Bewohner:innen dieses Modellprojektes besucht.