1991
Ihr 20-jähriges Bestehen feierte die Gesamthochschule 1991. Jubiläen sind Gelegenheiten der Bilanz und des Ausblicks. In beiden Richtungen offenbarten sich unterschiedliche Interpretationen. In der 1991 erneut geführten Debatte um den Namen der Hochschule kam keine Einigung im Konvent zustande. Zwar standen alle Mitglieder des höchsten Gremiums der Hochschule hinter ihrem Reformmodell, für die einen war jedoch nur die Bezeichnung Gesamthochschule Garant für den Fortbestand und Ausbau des Modells, für die anderen lag der Vorteil des Begriffs Universität in seiner internationalen Verständlichkeit. Aus Sicht des AStA war die Reformhochschule ein „auslaufendes Modell“. Interdisziplinarität, studentische Mitbestimmung und Projektstudium seien durch Institutsgründungen, Platzmangel, Marktorientierung und Vernachlässigung der Lehre zugunsten der Forschung schon lange auf dem Rückzug. Auch die Presse zeichnete kein einheitliches Bild: Titelte die Frankfurter Rundschau „Das Reformmodell wurde zum Renner“, bescheinigte die Frankfurter Allgemeine Zeitung der GhK „Innovation statt Reform“. Die Hessische/Niedersächsische Allgemeine vernahm erstmals den traditionellen Begriff der „Magnifizenz“ in Kassel und wertete dies als Zeichen der Zugehörigkeit zum Kreis der Universitäten.
Mit dem Programm des Jubiläums, das in einem Bericht des Hessischen Rundfunks ausführlich dokumentiert ist, sendete die GhK zugleich mehrere Botschaften. Ein Abendprogramm, das an die erste, nach 20 Jahren geschlossene Kasseler Universität (1633–1652) erinnerte, untermauerte die Forderungen nach mehr Investitionen in Stellen und Personal, damit der GhK wegen Überfüllung nicht das gleiche Schicksal drohe. Bei einer Feier im Kreis der Partnerhochschulen wurde gemeinsam über Perspektiven der Hochschulentwicklung und die Bedeutung von Hochschulkooperationen angesichts fallender Grenzen diskutiert. Die Hochschulleitung machte deutlich: Sie will eine europäische Hochschule mit eigenem Profil werden. Das Reformprofil wurde 1991 weiter ausgebaut. Erstmals startete der lange geplante, lange zugunsten des Ausbaus der Ingenieurwissenschaften zurückgestellte Diplomstudiengang „Arbeit und Technik“ als interdisziplinäre Verbindung von Arbeits-, Sozial- und Technikwissenschaften. Nach langem Warten eröffnete 1991 auch die Grundschulwerkstatt in neuen Räumen. Über das pädagogische Labor als Modellprojekt zur Verbindung von Theorie und Praxis erzählt Prof. Dr. Ariane Garlichs im Interview. Innovationen wurden auch ausgezeichnet: In Kassel kochte 1991 Deutschlands bester Mensakoch. In der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an der GhK wurde hingegen der Bedarf an Innovationen immer deutlicher.