1987

„Aber nun bedarf es einer gewissen Schlußanstrengung“ stellte Präsident Neumann in einem Pressegespräch mit der Hessischen Allgemeinen am 8. April 1987 fest und verlangte von der künftigen CDU-FDP-Landesregierung Planungssicherheit bei Bau- und Personalentwicklung für die letzten fünf Jahre der Aufbauphase. Mit einem FDP-geführten Wissenschaftsministerium war ein für Kassel unbekannter Akteur auf die hochschulpolitische Bühne getreten. Von der Fortführung einer grundständigen Übereinstimmung, die trotz mancher Kontroversen in Sachthemen mit den sozialdemokratischen Kultusministern Ludwig von Friedeburg und Hans Krollmann sowie mit der Wissenschaftsministerin Vera Rüdiger die Hochschulentwicklung der letzten 16 Jahre prägte, konnte nicht mehr ausgegangen werden, deshalb musste Planungssicherheit von der neuen Regierung nun gewährleistet werden, auch um das bisher Geleistete abzusichern.

Sichtbar wurden die Leistungen in der Frauenforschung und in der Frauenförderung. Letzteres markiert die Verabschiedung des Frauenförderplans, genauer: der Richtlinien zur beruflichen Förderung von Frauen an der Gesamthochschule Kassel am 30. Dezember 1987. Das war ein erster notwendiger, stark auf organisatorische Vorgaben hin orientierter Schritt, um den Frauenanteil in Leitungspositionen zu erhöhen. Der Weg hin bis zur Besetzung einer Professur für Frauenforschung mit dem Schwerpunkt „Arbeit und Beruf von Frauen“ war lang. Diese wurde erst im März 1991 ausgeschrieben und zum WS 1993/94 mit Dr. Christel Eckart besetzt. Dass Frauenforschung auch auf einer Professur für Biblische Theologie betrieben werden kann, zeigte die neuberufene katholische Theologin Dr. Helene Schungel-Straumann mit ihren Arbeiten zur feministischen Theologie. Um neuberufene Wissenschaftlerinnen wie sie und schon längerfristig an der GhK Beschäftigte in einem produktiven Arbeitszusammenhang zusammenzubringen, diente der interdisziplinäre Verbund IAG Frauenforschung.

Öffentlich sichtbar wurden kulturelle und erinnerungskulturelle Projekte. Die Verpflichtung, Kunst bei öffentlichen Bauten zu integrieren, realisierte sich 1987 mit der Fertigstellung der beiden Projekte: das Tor des himmlischen Friedens, entworfen von dem Kasseler Kunsthochschulprofessor Eberhard Fiebig, heute bekannt als „Blaues Tor“ und die Edelstahl-Banderole von Johannes Peter Hölzinger, die bis 1998 vor der Universitätsbibliothek lag. Ebenso in diesen Bereich fallen die Franz-Rosenzweig-Gastprofessur und die immer wieder erneuerte Zusammenarbeit zwischen der Kunsthochschule und der documenta, im Jahr der achten Weltkunstausstellung symbolisiert im Ankündigungsplakat von Karl Oskar Blase.

Leistungen herausgestellt wurden auch mit der Vergabe des Georg-Forster-Preises, mit dem bis heute herausragende Leistungen bei den Qualifikationsarbeiten von Student:innen und Promovend:innen ausgezeichnet wurden.

Eine andere Form von Leistungsförderung, den Erwerb der deutschen Sprache als Fremdsprache, stellen die Studienbriefe dar. Sie machten die Gesamthochschule Kassel an vielen Orten der Welt bekannt.

In Deutschland war die Gesamthochschule Kassel zwar auch bekannt, die Assoziationen, die man mit ihr verband, waren jedoch meist keine positiven oder verzerrte Eindrücke. Ein SWR-Hörfunkbeitrag bemühte sich, die Gesamthochschule Kassel auch den Hörer:innen außerhalb Hessens differenzierter vorzustellen. Die Gesamthochschule als Gänseblümchen unter Orchideen – eine zutreffende Beschreibung der Situation der Kasseler Hochschule in den 1980ern.