1986
Das Reaktorunglück in Tschernobyl und die Folgen beherrschten im Sommersemester 1986 die Hochschulöffentlichkeit: Resolutionen, Demonstrationen, eine vom Präsidenten mit initiierte Vortragsveranstaltung vor knapp 1.000 Menschen in der alten Henschelhalle K18, ein Hochschultag zur Kernenergie, Boykott von Lehrveranstaltungen, Plakate gegen Umweltzerstörung u.v.m. Der Konvent könne unter dem Eindruck der Ereignisse und angesichts der besonderen Verantwortung der Wissenschaft für die Folgen ihres Tuns nicht zur Tagesordnung übergehen – so die Forderung aus der Hochschule.
Zur Hochschulpolitik dieses Jahres zählte auch, Frauenforschung und Gleichstellungspolitik an der Gesamthochschule endlich zu institutionalisieren. Drei dazugehörige Ereignisse trafen dabei innerhalb von zehn Monaten zusammen: der Beschluss des Konvents zur Einrichtung der Stelle einer Frauenbeauftragten, die Wahl der ersten Vizepräsidentin und die erste offene Frauenhochschule. Gerade Letztere passte als Projekt, getragen von Frauengruppen in der Universität, zum Reformanspruch der Gesamthochschule, nämlich offen zu sein für Berufstätige und Nichtberufstätige.
Auch wenn viele Reformideen aus der Gründungszeit in Studienordnungen fixiert worden waren, getragen wurden sie aber von den Hochschullehrer:innen. Eine dieser Reformen, das Projektstudium, stand zur Disposition, wenn neuberufene Professorinnen und Professoren ihre Lehrformen anders ausgestalteten.
Für die weitere Profilierung der GhK als Forschungseinrichtung lotete man verschiedene Möglichkeiten aus: Auf der einen Seite stand der Ausbau der technischen Infrastrukturen, die notwendigen Vorbereitungen für die Bewerbung um die Mitgliedschaft in der Deutschen Forschungsgemeinschaft und die Weiterentwicklung einer umweltbezogenen Forschung in einem wissenschaftlichen Zentrum Mensch – Umwelt – Technik. Auf der anderen Seite – auch im Sinne der Verantwortung der Wissenschaft für ihr Tun – lehnte man Projekte der Rüstungsforschung in Kassel ab.