1983

Der Entwicklungsstand und der weitere Ausbau der Gesamthochschule standen in diesem Jahr auf dem Prüfstand: Der Wissenschaftsrat kam zur Inspektion. Die Hochschule erstellte in Abstimmung mit dem Land ausführliche Berichte über ihren baulichen, personellen sowie finanziellen Stand und ihre Auslastung. Zugleich hatte sie dem Wissenschaftsrat ihre künftigen Pläne vorzulegen, denn es ging ums Geld. Von einer positiven Stellungnahme des Wissenschaftsrates hing die gemeinsame Finanzierung weiterer Bauten durch Mittel des Bundes und des Landes ab. Die Ausbaukommission des Wissenschaftsrates bestätigte die grundsätzliche Entwicklung der Hochschule, insbesondere der integrierten Studiengänge, forderte aber eine deutliche Konzentration des baulichen, personellen und finanziellen Ausbaus in den Ingenieur- und Naturwissenschaften. Aufgrund der knappen öffentlichen Kassen wurde neben der Mensa prioritär das Technikgebäude in die Hochschulbauförderung von Bund und Land aufgenommen. Die Einrichtung des geplanten dritten Wissenschaftlichen Zentrums, das sich mit Fragen der umwelt- und sozialverträglichen Energie- und Rohstoffnutzung befassen sollte, wurde vom Kultusministerium abgelehnt. Hier sollte eine eindeutigere Ausrichtung auf den Technikbereich erfolgen. Unzufrieden waren auch die Student:innen des Technikbereichs. Lehramtsstudent:innen sahen hingegen in den Entwürfen für eine Lehramtsprüfungsordnung den Versuch, Student:innen vom Lehramt fernzuhalten, das Lehrpersonal fürchtete den Abbau der Kapazitäten in den Lehramtsfächern.

Die grundlegende Bestätigung durch den Wissenschaftsrat konnte die Hochschule gut gebrauchen, denn die seit kurzem regierende CDU-Regierung in Bonn brachte eine Änderung des Hochschulrahmengesetzes in die Diskussion. Die Gesamthochschule als Leitmodell der künftigen Entwicklung des deutschen Hochschulwesens sollte wieder aus dem Gesetz von 1976 verschwinden. Über zwei Jahre zog sich die Debatte. In der Gesetzesnovelle wurde der Paragraph über die Gesamthochschule als Zielperspektive der Neuordnung des Hochschulwesens gestrichen. Die bestehenden Gesamthochschulen in Kassel und in Nordrhein-Westphalen wurden damit zwar nicht abgeschafft, aber nun auch rechtlich zum Sonderfall. Das neue Gesetz, das in die hessischen Gesetzesgrundlagen erst 1987 Eingang fand, legte zudem fest, dass die Professor:innenschaft künftig wieder die Mehrheit in den Entscheidungsgremien der Hochschulen stellt.

Ein weiterer Bonner Beschluss beschäftigte die Hochschule in diesem Jahr intensiv: Die Zustimmung des Bundestages zum NATO-Doppelbeschluss, der die Aufstellung neuer Atomsprengköpfe des Typs Pershing II in Westeuropa vorsah. In der mehrheitlich linken Student:innen- und Professoren:innenschaft in Kassel sorgte dies für Empörung. Die GhK machte mit Friedenstagen im Mai sowie einer Hochschulversammlung „Wissenschaft und Frieden“ samt Resolution deutlich: Wir sind eine „Universität des Friedens“.

Auf welche Weise Studium und Lehre Beiträge zum gesellschaftlichen Frieden zu leisten versuchten, zeigen Einblicke in Projektstudienangebote des Studiengangs Sport. Tendenziell gehörte und gehört der Sportbereich zu denjenigen, in denen mehr Männer als Frauen studieren. Eine Ausnahmeerscheinung waren Frauen noch in den 1980ern hingegen in den Ingenieur- und Naturwissenschaften, wie die Erfahrungen von Studentinnen der Elektrotechnik, der ASL und einer Professorin in den Agrarwissenschaften offenbaren.

Unter den Bediensteten war der Anteil an Frauen deutlich höher. Die Ergebnisse einer 1983 durchgeführten Umfrage zu gewünschten Weiterbildungsaufgaben zeigen die Komplexität und Veränderung des Arbeitsplatzes Hochschule.