1981

Zehn Jahre nach der Eröffnung des Lehrbetriebs war die Gesamthochschule Kassel von der Vorreiterin eines künftigen Regelmodells des Hochschulwesens zu einem „geduldeten Sonderfall“ (Franz Neumann, 1981) in einer grundlegend veränderten bildungs- und finanzpolitischen Situation geworden. Letzteres zeigte sich im Jubiläumsjahr schon daran, dass der Hochschule nicht nur weniger Stellen zugewiesen werden konnten, sondern sie zudem aufgefordert wurde, Stellen zu streichen, eine Hochschule, die sich gleichzeitig im Auf- und Abbau befand. Zur Erbringung der geforderten Einsparungen beschloss man die zweiwöchige Schließung der Universität am Jahresende, um Heiz- und Stromkosten zu sparen.

Es herrschte alles andere als Feierstimmung. Gänzlich der Resignation hingeben wollte man sich dennoch nicht. Mit wissenschaftlichen Symposien zur Lage von Gesamthochschulen, Studien und einem rückblickenden Jubiläumsband des Wissenschaftlichen Zentrums für Berufs- und Hochschulforschung wollte die Gesamtschule eine Bilanz ihrer bisherigen Reformarbeit ziehen, Probleme und Fehlentwicklung nüchtern selbstkritisch analysieren, aber auch selbstbewusst die Erfolge und Erfahrungen präsentieren. Franz Neumann, zehn Jahre zuvor Mitglied des Gründungsbeirates und gerade frisch mit einer Stimme Mehrheit aus GEW, ÖTV und JuSo-Hochschulgruppe zum Präsidenten der Hochschule gewählt, rief in seiner Festrede zum Ausbau als Gesamthochschule auf. Nur in der Weiterentwicklung des Reformmodells liege die Zukunftsperspektive der Hochschule. Aus Sicht der Student:innen war die kurze Zeit der Reform hingegen längst beendet.

Grafisch dargestellt wurde das Festhalten am Profil als Gesamthochschule im Jubiläumsplakat, welches aber auch einen Wandel zum Ausdruck bringt. Wenn man schon nicht mehr Vorreiter für das gesamte deutsche Hochschulwesen sein konnte, so wollte man sich nun mehr um die Anerkennung durch Stadt und Region bemühen und die Bedeutung der Hochschule für die strukturelle Entwicklung Nordhessens stärker herausstellen. Mit über 100 Veranstaltungen öffnete sich die Hochschule der Bevölkerung, sie sollten sich selbst ein Bild von der Gesamthochschule und der dort geleisteten Arbeit machen und in den Dialog mit der Hochschule treten. Einige Kontakte und Kooperationen in die Region, beispielsweise über die Berufspraktischen Studien, waren schon geknüpft und die Wirtschaft unterstützte die Hochschule mit der Spende von Leichtbauhallen. Doch zugleich bestanden zahlreiche Vorbehalte und Vorurteile gegenüber der Hochschule, eine Art Fremdheit zwischen Hochschule und Bevölkerung, wie Oberbürgermeister Hans Eichel beschrieb. Über Information und vertiefte Kooperation sollte und wollte sich die Gesamthochschule künftig nützlicher machen für ihre Umgebung.

Vorbehalte von außen gab es gerade im Bereich der Lehrerbildung, insbesondere gegenüber dem Kernstudium und seinem vergleichsweise hohen Stundenanteil. Regelmäßig warf die CDU dem Kernstudium politische Indoktrination vor. Doch auch innerhalb der Hochschule war nicht allen klar, was der Kern dieses Studienbestandteils sein soll. Den Kern des Studiums zu erkennen, fiel damals schon einigen Studienanfänger:innen schwer, wie deren Erfahrungsberichte zum Ausdruck bringen. Erfahrungen wurden auch weiter mit dem Projektstudium gesammelt.

Neue Erfahrungen, gewaltigen Vorbehalten zum Trotz, sollten künftig in Witzenhausen gemacht werden. Ein Hörfunkbeitrag des damaligen Süddeutschen Rundfunks berichtete über den ersten „Lehrstuhl“ für ökologische Landwirtschaft in Deutschland.