1979

Nach der Eingliederung ins Hessische Universitätsgesetz im Vorjahr und dem damit verbundenen Selbstverwaltungsrecht konstituierten sich nun die Gremien der Hochschule. Im Februar fand die erste Wahl zum höchsten Selbstverwaltungsorgan der Hochschule, dem 90-köpfigen Konvent statt. Der Ausgang der Wahl und die Themen der ersten Sitzung gaben einen Ausblick auf die kommenden zehn Jahre der Hochschulpolitik an der Gesamthochschule Kassel. Es bildeten sich zwei Lager heraus, von denen das linke oft nur eine knappe Mehrheit hatte. Die Verteilung der Sitze in den sogenannten Ständigen Ausschüssen zeigte, dass der Dissens vor allem unter den Professor:innen herrschte. Zugleich wurde in der Auftaktsitzung das politische Engagement des höchsten Gremiums der Hochschule deutlich. Die Mehrheit des Konvents unterstützte einen von den studentischen Basisgruppen eingebrachten Antrag, in dem die Stilllegung aller Atomkraftwerke gefordert wurde. Die Mehrheit des Konvents war der Auffassung, sie hätten das Recht und die Pflicht, zu politischen Fragen, die das Verhältnis von Wissenschaft, Hochschule und Gesellschaft betreffen, Stellung zu nehmen. Dem verschrieb sich auch der AStA, der ankündigte, den Fokus seiner Arbeit auf Fragen der Ökologie und der Alternativbewegung zu legen. Die nicht eindeutigen Mehrheitsverhältnisse im Konvent führten im Sommersemester zum Scheitern der Wahl eines Vizepräsidenten – ein Vorgeschmack auf weitere Wahlen.

Bei diesen Verhältnissen im Konvent konnten die „Sonstigen“, die Bediensteten, das Zünglein an der Waage sein. Für das Gelingen des Reformprojekts Gesamthochschule maß man dem aktiven Engagement aller Mitarbeiter:innen hohe Bedeutung zu. Sie sollten daher besser über die Ziele und die Organisation der Gesamthochschule informiert sein. Dies konnte dank einer 1979 unterzeichneten Dienstvereinbarung zu Weiterbildungsmöglichkeiten für die Bediensteten in eigenen Kursen, die von der neuen Kontaktstelle für wissenschaftliche, berufliche und künstlerische Weiterbildung koordiniert wurden, vonstattengehen.

Der Beitrag der vorhandenen Mitarbeiter:innen zum Gelingen des Reformprojekts wurde deshalb höher bewertet, weil neue nicht in dem Maße hinzukamen, wie es der Ausbau der Hochschule vorgesehen hatte. Der Rechenschaftsbericht von Präsident von Weizsäcker konstatierte, an der Hochschule mache sich Verdrossenheit, Resignation und Verunsicherung breit, vor allem wegen der unzureichenden Ausstattung und der Ungewissheit über den weiteren Ausbau. Vielfach käme das Gefühl auf, dass das Reformmodell nur eine Billighochschule sei. Noch der alte Gründungsbeirat forderte eine Verdopplung der Investitionszahlen und Studierende protestierten gegen Raum- und Personalnot. Für die Schaffung neuer Räume wurden derweil weitere Grundlagen gelegt: Der Abriss der Henschelhallen konnte nicht verhindert werden.

Von außen musste die Hochschule weitere Rückschläge verkraften. Zwar scheiterte der von der CDU im Landtag eingebrachte Antrag auf Umwandlung der Gesamthochschule in eine Universität, genauso scheiterte jedoch der Antrag der Hochschule auf eine Mitgliedschaft in der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Trotz guter Einzelforschung wurde der Stand der Forschung als noch nicht hinreichend konsolidiert angesehen, es brauche, so die Begründung der DFG einen besseren Ausbau der Forschungsbedingungen und die Berufung von mehr qualifizierten Hochschullehrer:innen. Zudem hielt die Diskussion um die Wertigkeit der Abschlüsse der Kasseler Diplomstudiengänge an.

Trotz oder gerade wegen dieser Umstände erlebte das schon fast abgeschriebene Projektstudium einen zweiten Frühling.

Während das Projektstudium von Beginn an als Lehrveranstaltungsform vorgesehen war, war das Studium der Theologie in Kassel zunächst nicht intendiert gewesen. Dem Engagement der Kirchen ist es zu verdanken, dass dies möglich wurde, wie sich am Beispiel der Schenkungsurkunde für eine Professur zeigt. Die genauen Hintergründe hierzu sind ein Thema, das es noch zu erforschen gilt!