1978
Ein Jahr der Grundsatzentscheidungen: Rechtliche Form, organisatorische Struktur und bauliche Gestaltung der Hochschule wurden 1978 festgelegt.
Ein Ideenwettbewerb zur Bebauung des künftigen Hauptstandortes entschied sich in zweiter Runde für den Entwurf der Stuttgarter Architekten Höfler und Kandel, mit dem ein postmodernes, menschliches Gegenstück zu den Hochschulblöcken der 1960er gesetzt werden sollte. Seine Umsetzung hätte zügig gehen können, doch vor Baubeginn war absehbar, dass die jährlichen Investitionen der Landesregierung in den Ausbau der Studienplätze in Nordhessen dafür zu gering sein würden. Gründungspräsident von Weizsäcker und Oberbürgermeister Eichel forderten eine Verdopplung der Investitionsraten, um die Erfolge in der Studienreform und die bildungspolitische Pilotfunktion nicht durch die mangelhafte materielle Ausstattung aufs Spiel zu setzen.
Ihre Pilotfunktion zur Entwicklung eines eigenständigen Modells des Hochschulwesens verlor die Gesamthochschule in rechtlicher Hinsicht mit der Eingliederung ins Hessische Universitätsgesetz. Das Gesamthochschulgesetz blieb aus, die GhK wurde nun als Universität des Landes Hessen geführt, wenngleich das Hochschulgesetz spezielle Aufgaben von Gesamthochschulen definierte. Formell war die Gründungsphase damit abgeschlossen, die Gesamthochschule wurde in die Selbstständigkeit entlassen. Dass die zentralen Fragen aber im Kultusministerium entschieden werden, zeigte sich schon bei nächster Gelegenheit. Bei der Bildung der Fach- und Studienbereiche setzte sich das Kultusministerium über die Beschlüsse des Kasseler Gründungsbeirates hinweg.
Wie eine vom Ministerium angefertigte Beschreibung der Situation der Naturwissenschaften an der Gesamthochschule Kassel andeutet, dürfte es bei der Zusammenlegung von bisher getrennten Organisationseinheiten zu den neuen Fachbereichen einiges an Konfliktpotenzial gegeben haben.
Konfliktlos weitergeführt wurde hingegen das entwicklungspolitische Engagement des Bundes, der 1978 eine neue Vereinbarung mit dem Land über die finanzielle Beteiligung an der Ausbildung im Bereich der internationalen Agrarwissenschaften in Witzenhausen unterzeichnete.
Neben Fach- und Studienbereichen wurden 1978 die ersten beiden Wissenschaftlichen Zentren gebildet: das Wissenschaftliche Zentrum für Berufs- und Hochschulforschung (WZ I) sowie das Wissenschaftliche Zentrum für Psychoanalyse, Psychotherapie und psychosoziale Forschung (WZ II). Grundlagen für das später gegründete WZ III Mensch – Umwelt – Technik wurden 1978 mit der Besetzung der Professuren für Ökochemie und Umweltschutz sowie der Vorbereitung einer Arbeitsgruppe „Angepasste Technologie“ gelegt.