1976
Die Gesamthochschule begab sich in diesem Jahr auf internationales Gebiet. Mit der ebenfalls 1971 neu gegründeten Universität im französischen Angers wurde ein Abkommen zum Austausch von Student:innen und Hochschullehrer:innen abgeschlossen, mit der Universität im englischen Reading sollte der Student:innenaustausch gefördert werden. Auch andere Fächer als die Fremdsprachen knüpften Auslandskontakte.
Zu Hause stand die Hochschule insbesondere mit ihren integrierten Diplomstudiengängen weiter in der Kritik, der der Gründungspräsident von Weizsäcker widersprach. Denn die laufenden Modellversuche zur Konzeption der reformierten Studiengänge konnten erste Erfolge verbuchen: Für die integrierten Studiengänge für Architekten, Stadt- und Landschaftsplaner sowie für Bauingenieurwesen und Maschinenbau wurden die Prüfungsordnungen genehmigt. Für den integrierten Studiengang Sozialwesen wurden Prüfungs- und Studienordnung genehmigt und die ersten 43 Student:innen begannen ihre Berufspraktischen Studien. Hierfür wurde zugleich eine Rahmenvereinbarung mit der Stadt Kassel über die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen für die Praxisphasen des Studiums abgeschlossen. Praxiserfahrungen mit Theorie und Wissen verknüpfen konnten Student:innen des Sozialwesens auch in einer Vielzahl von Projekten.
Vereinbart wurde auch der personelle Umbau der Gesamthochschule. Mit der Gründung hatte sie in den Fächern der Vorgängereinrichtungen im Wesentlichen Lehrende übernommen, die als Fachhochschullehrer:innen besoldet wurden. Um in diesen Bereichen langfristig genügend Lehrpersonal für die zweite, dem Universitätsniveau vergleichbare Studienstufe der integrierten Studiengänge zu haben, wurden nach und nach Stellen umgewandelt. Vor dem Beginn dieser Vertiefungsstudien forderte der Wissenschaftsrat, der die Gesamthochschule im Vorjahr inspiziert hatte, die Festlegung von Forschungsschwerpunkten im ingenieurwissenschaftlichen Bereich. Er empfahl zudem Zulassungskriterien für den Übertritt ins Vertiefungsstudium, die Konzentration des Ausbaus von Studienplätzen auf die erste Studienstufe und einen Gesamtausbau auf 9.000 Studienplätze, ein ursprünglich geplanter Ausbau auf 12.000 Plätze stehe derzeit nicht zur Diskussion.
Ausgebaut wurde bereits die Bibliothek, die bisher besonders in der Kritik stand. Immer wieder kursierte der Vorwurf, man habe bei der Gründung der Hochschule die Bibliothek vergessen. Zum 1. Januar 1976 gingen die Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel und die Hessische Landesbibliothek in die Trägerschaft des Landes Hessen über und wurden Teil des Bibliothekssystems der Gesamthochschule. Die Bestände der Murhardschen Bibliothek blieben rechtlich im Besitz der Stadt Kassel, das Land verpflichtete sich, die Tradition der Bibliothek als allen Bürgern der Stadt kostenfrei zugängliche Einrichtung zu bewahren.
Zu einer neuen Tradition an der Gesamthochschule entwickelten sich Spaziergänge. 1976 fand der sogenannte „Ur-Spaziergang“ statt, aus dem heraus die Spaziergangswissenschaft entstand.