Nachdem im Herbst des Vorjahres sowohl in der hessischen Landesregierung als auch in der Regierungsfraktion im Landtag Einigkeit über die Gründung einer Gesamthochschule hergestellt werden konnte, gingen die nächsten Schritte schnell voran. Sie mussten und sollten auch schnell gehen.
1969 hatte der Bund ein Hochschulbauförderungsgesetz beschlossen, mit dem er sich künftig an den Baukosten von Hochschulen beteiligen wollte. Um zügig in dieses neue Gesetz aufgenommen zu werden, musste eine Hochschule formell gegründet sein und der Wissenschaftsrat den Maßnahmen zugestimmt haben. Zudem war die öffentliche Diskussion über den Hochschulausbau in vollem Gang, mehr Studienplätze und Absolvent:innen wurden dringend gebraucht.
Im Februar beschloss die Landesregierung bei ihrer Kabinettssitzung vor Ort die Gründung einer Gesamthochschule in Kassel. Die Presse würdigte es als Jahrhundertereignis. Das Kultusministerium ließ einen Rahmenplan erarbeiten, das Konzept fand die Zustimmung des Wissenschaftsrates und in seiner Sitzung am 18. Juni 1970 beschloss der Hessische Landtag das Gesetz zur Errichtung der Gesamthochschule. Für das noch junge Bundesland Hessen war es die erste Neugründung einer Hochschule. Und die sollte nicht nur ein Regionalprojekt zur Belebung Nordhessens sein, sondern das von allen Seiten als Mittel zur Reform des Hochschulwesens gepriesene Konzept in die Tat umsetzen. Kassel sollte Deutschlands erste integrierte Gesamthochschule bekommen und in der Reform des deutschen Hochschulwesens zum Modell avancieren.
Die Kernelemente dieses Modells waren: die Öffnung des Zugangs zur Hochschule (Fachhochschulreife oder Abitur), gestufte Studiengänge und Abschlüsse (vergleichbar mit dem damals nur im angelsächsischen Raum angewandten Bachelor-Master-System), integriert-differenzierte Studiengänge (Ermöglichung von Übergängen zwischen bisher getrennten Studiengängen an Fachhochschulen/Universitäten bzw. Pädagogischen Hochschulen/Universitäten bzw. die Zusammenführung bisher getrennter Studiengänge), flexiblere Ausbildungswege des Einzelnen, Projektstudium, integrierte Praxisphasen und Berufsfeldbezug.
Damit schon im Wintersemester 1971 der Lehrbetrieb starten konnte, musste es weiter schnell gehen. Zu diesem Zeitpunkt sollte nur die Lehrerbildung als neuer universitärer Studiengang beginnen. Der Aufbau in den Fächern, die über die Vorgängereinrichtungen in die Gesamthochschule integriert und für das Modell integrierter, gestufter Studiengänge als Verbindung von Universitäts- und Fachhochschulstudium entwickelt werden sollten, musste warten. Kultusminister von Friedeburg war es gelungen, den in Nordrhein-Westfalen mit der Planung künftiger Gesamthochschulen befassten Christoph Oehler als Leiter der Hochschulabteilung nach Wiesbaden abzuwerben.
Für den praktischen und konzeptionellen Aufbau der Hochschule brauchte es Entwürfe. Das Kultusministerium setzte dafür auf eine Doppelstruktur: Eine dem Ministerium angegliederte Projektgruppe, bestehend aus jungen Hochschulabsolvent:innen, sollte die Vorlagen für die Entscheidungen des Ministers liefern. Zugleich wurde ein Gründungsbeirat gebildet, der Empfehlungen erarbeiten sollte. Zusammengesetzt war er aus Vertreter:innen hessischer Universitäten, der in Kassel ansässigen Bildungseinrichtungen sowie je einem Vertreter der Stadt und des „Arbeitskreises Universität Kassel“. Die Entscheidungen wurden allesamt im Ministerium getroffen. Man wollte beweisen, dass nicht nur technokratische Gründungsverfahren schnell gehen können, sondern auch reformorientierte Neugründungen zügig startklar sind und sich nicht über Jahre hinziehen müssen wie im Falle Bremens.
Schnell sollte daher der Bau neuer Räume erfolgen, weshalb zunächst ein flexibel nutzbares Aufbau- und Verfügungszentrum errichtet wurde. Mit der Wahl des Grundstücks für dieses schnell zu konstruierende Gebäude machte das Ministerium auch seine Präferenz für einen Campus am Stadtrand klar. Mit und in der Stadt war die Frage des künftigen Standortes der Hochschule noch in der Diskussion.
Auch in Kassel begannen die bestehenden Bildungseinrichtungen, die in die Gesamthochschule eingegliedert werden sollten, Überlegungen zum Aufbau der Hochschule sowie zu ihrer eigenen Weiterentwicklung als Teil dieser neuen Einrichtung zu formulieren. So erhoffte sich die Kunsthochschule von der Integration in die Gesamthochschule einen befruchtenden interdisziplinären Austausch, der die disziplinäre Randstellung der Kunst(-wissenschaft) überwinden würde.
Die Geschichte einer Universität beginnt weder mit ihrer formellen Gründung noch mit der Eröffnung des Lehrbetriebs. Aber wann dann?
Im Falle Kassels keine einfach zu beantwortende Frage. Einer sehr kurzen Vorlaufphase der Errichtung der Gesamthochschule Kassel stehen weit zurückreichende historische Entwicklungen, die mit der heutigen Universität Kassel verbunden sind, gegenüber. So ließe sich eine Vorgeschichte der Universität im Jahr 1580 mit der Entstehung der hessischen Landesbibliothek durch Landgraf Wilhelm IV., im Jahr 1633 mit der 20 Jahre bestehenden ersten Universität Kassel, im Jahr 1777 mit der eigenständigen Gründung der „Académie de Peinture et de Sculpture de Cassel“, aus welcher die Kunsthochschule entstand, im Jahr 1832 mit der Eröffnung der polytechnischen „Königlichen Höheren Gewerbeschule“, mit der Einrichtung der deutschen Kolonialschule 1898 in Witzenhausen oder der Gründung weiterer tertiärer Bildungseinrichtungen in Kassel im frühen 20. Jahrhundert beginnen. Diese Vorgeschichte ist nicht Teil unserer Ausstellung, sie gehört aber zur Historie der Universität Kassel und wäre als quellenreicher Streifzug durch die Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte der Neuzeit eine eigene Ausstellung wert.
Die Gründungsphase der Gesamthochschule Kassel und ihr Vorlauf wurden von dem Historiker Jürgen Nautz in der Festschrift der Gesamthochschule Kassel 1996 ausführlich aufgearbeitet. Es seien daher nur die zentralen Entwicklungen genannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Nordhessen aufgrund der deutschen Teilung in einer strukturschwachen Randlage der neuen Bundesrepublik. Erstmals brachte der spätere Oberbürgermeister Karl Branner die Ansiedlung einer Universität in Kassel im Jahr 1958 ins Gespräch. Man erhoffte sich Impulse für die Wirtschaft und Anreize, damit hoch qualifizierte Arbeitskräfte in der Region bleiben. Wie in einem Artikel aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erwähnt, schien dieser Wunsch in der jungen Bundesrepublik auf absehbare Zeit nicht umsetzbar, insbesondere nicht in Hessen, das mit vier Universitäten im Bundesvergleich Spitzenreiter war. Nur waren diese, wie die Karte zeigt, ungleich verteilt. Und so liefen erste Initiativen der Stadt Kassel, die Gründung einer Universität anzuregen, ins Leere.
Doch die Lage veränderte sich schneller als gedacht. Bildung und Hochschulen wurden zum Topthema, die Bildungsreformphase begann. Internationale Vergleiche zeigten den Rückstand der Bundesrepublik in Bildungsfragen, umfassende Studien bescheinigten zahlreichen Landstrichen eine Unterversorgung mit Studienplätzen und Hochschulabsolvent:innen, darunter auch Nordhessen und dort insbesondere im technischen Bereich. Um eine wirtschaftsschädliche „Bildungskatastrophe“ (Georg Picht) zu verhindern und die Wahrnehmung des demokratischen Bürgerrechts auf Bildung (Ralf Dahrendorf) und Chancengleichheit zu gewährleisten, wurde nun von vielen Seiten ein massiver Ausbau des Bildungswesens gefordert. Die Student:innen protestierten gegen überfüllte Hörsäle und verkrustete Strukturen.
In Kassel erkannte man die Zeichen und ergriff in mehrfacher Hinsicht die Initiative. Die Stadtverwaltung intensivierte ihr Bemühen um eine Neugründung, gab ein Gutachten über die Eignung Kassels als Hochschulstandort in Auftrag und nahm Kontakt zum Wissenschaftsrat auf. Aus diesen Aktivitäten erkannte man, dass die Umsetzung nur gelingen würde, wenn man statt einer Universität eine Gesamthochschule einzurichten versucht. Diese sollte auf den in Kassel vorhandenen tertiären Bildungseinrichtungen aufbauen. Das Konzept der Gesamthochschule war 1968/69 in kurzer Zeit als mögliche Lösung aller Probleme des Hochschulwesens entstanden, es war noch hinreichend unkonkret, um verschiedene Zielsetzungen verbinden zu können. Die Zusammenfassung aller Einrichtungen des Hochschulbereichs (Universitäten, Fachhochschulen) mit einem binnendifferenzierten Studiengangssystem sollte die Chancengleichheit im Zugang zu Hochschuleinrichtungen, die Verkürzung von Studienzeiten und die flexiblere Gestaltung des Studiums ermöglichen.
Auch der im Februar 1969 als Bürgerverein gegründete „Arbeitskreis Universität Kassel“ sah, dass man mit der Forderung nach einer Gesamthochschule mehr Erfolg haben könnte, auch weil die Regierungserklärung der neuen sozialliberalen Koalition in Bonn eine Erweiterung der Hochschulkapazitäten und eine Strukturreform der Hochschulen durch das Modell der Gesamthochschule in Aussicht stellte. In gemeinsamer Abstimmung sicherten die Stadt und der Arbeitskreis die Unterstützung aller gesellschaftlichen und politischen Akteure Nordhessens für eine Neugründung in Kassel. In Wiesbaden reagierte die Landesregierung zunächst ablehnend, dann zögerlich. Sie sah sich noch immer mit dem Ausbau der bestehenden Universitäten gut beschäftigt. Erst mit der Umbildung der Regierung unter dem neuen Ministerpräsidenten Albert Osswald veränderte sich die Position des Landes entscheidend. Die Berufung des Frankfurter Soziologen Prof. Dr. Ludwig von Friedeburg zum Kultusminister läutete einen grundlegenden Wechsel in der Hochschulpolitik Hessens ein. Er machte endgültig klar, dass die Einrichtung einer Hochschule nur als Gesamthochschule, ohne die Barriere veralteter Strukturen, erfolgen solle. Nun nahm die Landesregierung die Sache in die Hand, auch weil der Landtagswahlkampf bevorstand und man sich bewusst war, dass die nordhessischen Wähler:innen von der in Wiesbaden regierenden Partei mehr Engagement erwarteten, wie der Brief einer Bürgerin zum Ausdruck bringt.
„Hochschule 2021: Wirklich virtuell?“ Unter diesem Motto fand beim 25-jährigen Jubiläum der Gesamthochschule/Universität Kassel 1996 eine Abendveranstaltung statt, die amüsante, multimediale Prognosen, Visionen und Szenarien zur Hochschule im Jahr 2021 präsentierte. Noch zu Beginn des Jahres 2020 hätte niemand gedacht, dass die Hochschule 2021 tatsächlich virtuell sein würde, wenngleich auf eine ganz andere Weise und unter anderen Umständen als 1996 gedacht.
Das Jubiläumsjahr begann, wie das alte aufgehört hatte – im digitalen Lehrbetrieb. Erst im nächsten Wintersemester gab es in größerem Umfang eine Rückkehr in die Präsenzlehre. Zahlreiche Programmpunkte für die 50-Jahr-Feier mussten schon frühzeitig umgestaltet werden, viele wurden verschoben, einiges digital umgesetzt, anderes konnte stattfinden, so eine Ausstellung im Stadtmuseum, die die Geschichte der Universität in ihren Bezügen zu Stadt und Region herausstellt, wie Prof. Dr. Martina Sitt, unter deren Leitung die Ausstellung entstand, in einem Podcast erzählt. Mit den physisch präsenten und greifbaren Objekten ist die Ausstellung nicht nur eine willkommene Abwechslung zum stark digitalen Universitätsalltag, sondern macht genauso wie unsere digitale Ausstellung mit ihren Text-, Ton-, Bild- und Filmdokumenten deutlich, wie viele unterschiedliche Quellen Aufschlüsse über die Geschichte der Hochschule geben. Für den im Juni 2021 verabschiedeten Beschluss der Universität, als eine der letzten in Deutschland ein eigenes Archiv einzurichten, war es daher höchste Zeit, um die Quellen in ihrer Vielfalt zu bewahren. Pünktlich zum 50. Geburtstag unterschrieb die Universität, die noch beim 10. Jubiläum 1981 keine Universität werden, sondern eine Gesamthochschule bleiben wollte, die aktuelle Fassung der Magna Charta Universitarum, in der sich Universitäten weltweit auf gemeinsame grundlegende Werte verpflichten.
Gänzlich ungetrübt verlief das Jubiläumsjahr derweil nicht. Die Ergebnisse eines Untersuchungsausschusses des Student:innenparlaments, die den Umgang des AStA mit seinen finanziellen Mitteln und die mangelnde Kontrolle der AStA-Finanzen durch die Hochschulleitung kritisierten, sorgten ebenso wie die Aberkennung einer Ehrendoktorwürde und die Diskussion um die Bedeutung gendergerechter Sprache für Kontroversen innerhalb der Hochschule, zwischen ehemaligen und aktuellen Mitgliedern, zwischen Universität und Öffentlichkeit. In einem offenen Brief versuchte der AStA verzerrte Darstellungen der Diskussion um die gendergerechte Sprache aufzugreifen, gerade auch weil die Hochschule inzwischen im Vergleich zu anderen Universitäten eine Vorreiterrolle in der Gleichstellung einnimmt.
Das Jahr 2020 begann zunächst wie jedes Jahr. Das Wintersemester ging zu Ende, der Campus leerte sich, auf die Mitglieder der Hochschule warteten Klausuren, Forschungsprojekte oder die Vorbereitung des neuen Semesters.
Dann kam der März und mit ihm die Corona-Pandemie nach Kassel. Mit einer Mail vom 13. März 2020 verkündete der Kanzler die Einstellung des Lehrbetriebs. Ab dem 17. März schlossen die Bibliotheken und die Mensen. Für die meisten Mitarbeiter:innen sahen die Regelungen von heute auf morgen die Umstellung auf das „Homeoffice“ vor. Hastig mussten Büromaterial und Laptops, wenn verfügbar, mit nach Hause genommen werden. Die Student:innen trafen die Maßnahmen mitten in der Prüfungsphase. Über Wochen blieben Bibliotheken, Labore, Sporthallen, Werkstätten und Übungsräume geschlossen, Hausarbeiten, künstlerische Arbeiten oder Versuche konnten nicht weitergeführt werden, wissenschaftliche Experimente, Datenerhebungen oder Recherchen mussten pausieren. Wie beim Homeoffice wurden auch für den Prüfungsbetrieb Lösungen zunächst individuell improvisiert. Das veranlasste den AStA, ein einheitliches Vorgehen zu fordern, ob bei der Verlängerung von Fristen oder der Organisation von Ersatzleistungen. Die Verwaltung, besonders die Mitarbeiter:innen des IT-Servicezentrums, des technischen Dienstes sowie der Abteilung Studium und Lehre mussten in kurzer Zeit die Grundlagen für eine Wiederaufnahme des Lehrbetriebs unter Pandemiebedingungen schaffen.
Das Sommersemester startete erstmals – und mit Verspätung – als digitales Semester. Die Umstellung auf die digitale Lehre brachte zahlreiche Herausforderungen und neue Erfahrungen mit sich, manches klappte besser als gedacht – anderes, die Universität als sozialer Lern-, Lebens- und Arbeitsraum – wurde vermisst. Nicht nur Student:innen und Mitarbeiter:innen, vielen Menschen machten Isolation und Abstand Sorgen. Psychologiestudent:innen starteten daher spontan ein Hilfsprojekt.
Schien der Sommer leise Hoffnungen auf eine Rückkehr zur Normalität zur nähren, wurde schon bald deutlich, dass auch das Wintersemester weitgehend ohne Präsenzlehre stattfinden würde. Zum ersten Mal begannen viele Erstsemester:innen ihr Studium ausschließlich vor dem Bildschirm. Homeoffice und Zoom-Konferenzen wurden vertrauter, Regelungen wie zusätzliche Freiversuche bei Prüfungen verlängert. Nicht immer gelang es dabei, die Bedürfnisse einzelner Studiengänge zu berücksichtigen und die Universität mit all ihren Standorten im Blick zu behalten. Auf diese Herausforderung, die auch abseits der Corona-Pandemie immer wieder Thema ist, verweist ein Beitrag in der studentischen Zeitschrift meinetwegen.
Trotz der Corona-Pandemie wurde mit dem Beschluss zur Gründung eines neuen Zentrums für Nachhaltigkeit eine weitreichende Entscheidung für die künftige Entwicklung der Universität getroffen. Über die Motive zur Einrichtung des Zentrums, das zahlreiche schon lange bestehende Entwicklungen an der Hochschule aufgreift, berichtete der damalige Präsident Prof. Dr. Reiner Finkeldey in einem Podcast.
Das Jahr 2019 brachte zwar keine neue Rekordzahl bei der Gesamtsumme der Student:innen, doch mit über 3.400 erreichte die Zahl der internationalen Student:innen den bisher höchsten Stand in der Geschichte der Universität Kassel. Und auch die von der Hochschule eingeworbenen Drittmittel erreichten mit 64,2 Millionen Euro einen neuen Höchstwert. Anteil daran hatte unter anderem das von den Universitäten Kassel und Bielefeld aus koordinierte Lateinamerika-Verbundprojekt CALAS, das einen Beitrag zur Internationalisierung der Forschungsaktivitäten in den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften leistet.
Hochschulintern war das Jahr durch die weitergehende Diskussion um Befristung und prekäre Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten geprägt. Eine von der Hochschule verabschiedete Richtlinie für Beschäftigungsverhältnisse mit Leitlinien zu Mindestdauer und -umfang von Beschäftigungsverhältnissen konnte die Diskussionen nur zum Teil beenden. Besonders galt dies für die studentischen Hilfskräfte, die generell nicht als Personal-, sondern als Sachmittel (!) geführt werden und 2019 eine eigene Initiative gründeten, um diesen Zustand zu ändern.
Mit der Einwerbung von Fördermitteln für 13 Nachwuchsprofessuren aus einem Bund-Länder-Programm und den Verhandlungen zum Hochschulpakt 2020, durch den die Universität weitere 23 Professuren und eine höhere Grundfinanzierung zur Ausstattung der Professuren erhält, ist in den kommenden Jahren mit über 200 zusätzlichen Stellen zu rechnen. Darunter sollen mehr unbefristete Stellen für Daueraufgaben in Lehre und im Dienstleistungsbereich sein. Damit werden Voraussetzungen geschaffen, um die Ziele des 2019 erstmals verabschiedeten Leitbilds Lehre, wie die stärkere Berücksichtigung individueller Lebens- und Bildungswege, Persönlichkeitsbildung sowie forschungsorientierte Lehre, in die Tat umzusetzen.
Dass das im Leitbild formulierte Bewusstsein für Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und Verantwortung bei vielen Student:innen vorhanden ist, bewies die vom AStA organisierte „Public Climate School“, deren Höhepunkt die Teilnahme an einem Klimastreik war. Zahlreiche Veranstaltungen der aktiven Streikwoche konnten schon im neu eingeweihten Student:innenhaus stattfinden.
Es war zwar kein documenta-Jahr, doch die internationale Kunstausstellung beschäftigte die Universität auch 2018. Im Verlauf des Jahres wurden finanzielle und personelle Weichenstellungen für den Aufbau eines documenta-Instituts gelegt. Die eigenständige Forschungseinrichtung wird in den kommenden Jahren die Verbindung zwischen Universität und documenta intensivieren und die documenta in ihren Kontexten erforschen. Einen Beitrag zur Erforschung von Kultur in Kassel leistete bereits das in diesem Jahr erschienene Kleine Kasseler Literatur-Lexikon.
Weichenstellungen gab es im Hinblick auf die bauliche Entwicklung. Mit der Zusage von 120 Millionen Euro für Neubauten der Institute für Mathematik und für Physik am Campus Holländischer Platz wird nun mit der Realisierung des seit Jahren geplanten Umzugs der Naturwissenschaften in die Nordstadt begonnen. Mit der Einsparung von Fahrtwegen zwischen den Standorten dürften die Neubauten damit langfristig auch mit dazu beitragen, dass die Universität weiterhin ihre selbst formulierten Nachhaltigkeitsziele in Forschung, Lehre und Betrieb erreicht, wie dies in einer Pressemitteilung 2018 schon verkündet werden konnte.
Mit Kennzahlen lassen sich nicht nur positive Entwicklungen und Zustände abbilden, sie informieren ebenso über Missstände. Im Jahr 2018 hatten 92 Prozent der wissenschaftlichen Bediensteten der Universität befristete Verträge, im Bereich von Daueraufgaben in Lehre und Verwaltung sind in Kassel mehr Stellen nur für einen begrenzten Zeitraum vergeben als an anderen Universitäten. Die Initiative „UniKassel unbefristet“ und der Personalrat der Universität nahmen sich des Themas verstärkt an und forderten vor allem eine Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen.
Im Jahr der documenta 14 waren die Verbindungen zwischen der bedeutendsten Schau moderner Kunst und der Universität Kassel vielfältiger als je zuvor. Germanistik, Materialwissenschaft und Politikwissenschaft, Architektur, Stadt- und Landschaftsplanung, Kunst, Student:innen wie Professor:innen, Kunsthochschule, Gießhaus und Gottschalkhalle waren an der documenta beteiligt. Der Parthenon of books und die nach dem Vorbild Lucius Buckhardts veranstalteten Spaziergänge stehen exemplarisch für die unterschiedlichen Aktivitäten.
In den Naturwissenschaften starteten an der Universität in diesem Jahr zwei Großprojekte, von denen in den kommenden Jahren wichtige Beiträge zur Grundlagenforschung, einem Bereich, in dem Kassel bisher gegenüber anderen Universitäten deutlich zurückliegt, zu erwarten sind. Ein neuer Sonderforschungsbereich wurde unter Leitung von Kasseler Physiker:innen und Chemiker:innen zur Erforschung der Chiralität bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eingeworben. Aus dem universitätsinternen „Förderprogramm zur weiteren Profilbildung für die Jahre 2017 bis 2022“ heraus wurde unter anderem ein von Kasseler Biolog:innen koordiniertes Graduiertenprogramm eingerichtet. Gemeinsam mit Beteiligten aus anderen Naturwissenschaften, Mathematik und Elektrotechnik erforschen die Teilprojekte die Entstehung und Funktionsweise innerer Uhren. Ende 2021 wurde der weitere Ausbau zu einem Graduiertenkolleg von der DFG bewilligt. Aus den Naturwissenschaften kam auch der neue Vizepräsident: Der Physiker Prof. Dr. René Matzdorf wurde 2017 zum Vizepräsidenten für Studium und Lehre gewählt.
In baulicher Hinsicht konnte in diesem Jahr der erste sanierte Teil der Campusbibliothek eröffnet und der zweite zum Umbau freigegeben werden. Zugleich begannen in und an der Murhardschen Bibliothek die Arbeiten zur Sanierung und Erweiterung des Hauses. Ein anderes Gebäude, die Villa Rühl blieb dagegen weiterhin ungenutzt. Eine Gruppe von Aktivist:innen wollte dies ändern und besetzte die Villa, musste sie allerdings kurze Zeit später unter Polizeieinsatz wieder verlassen.
Ein Jahr nach der Einweihung des Campus Centers wurde im Jahr 2016 das erste Campusfest gefeiert. Das Fest fand auf den neugestalteten Außenflächen rund um das Gebäude und vor der Mensa statt. Für die Umsetzung der abgestimmten Außengestaltung musste der bisher von Student:innen über mehrere Jahre individuell gestaltete Lucius-Burckhardt-Platz geräumt werden. Das Jahr 2016 brachte auch einen neuen studentischen Raum: Der Neubau LEO-Lernort bietet seither auf über 900m2 bis zu 400 Arbeitsplätze für Student:innen. Weitere Bauten wurden eingeweiht: Der Fachbereich Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung bezog sein neues Institutsgebäude und das Bootshaus an der Fulda stand nun für Sport und Veranstaltungen bereit.
Der zusätzliche Platz war dringend nötig, denn erstmals überstieg die Zahl der eingeschriebenen Student:innen die Marke von 25.000. Trotz der weit über der offiziellen Kapazitätsgrenze liegenden Student:innenzahl konnte die Universität weitgehend gute Studienbedingungen aufrechterhalten. In einem bundesweiten Vergleich des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) belegte die Universität Kassel den ersten Platz unter 21 Bauingenieurstudiengängen.
2016 verabschiedete die Hochschule ein neues Personalentwicklungskonzept. Zum Personal zählen seit 40 Jahren auch Menschen, die eine Berufsausbildung in einem Teilbereich der Universität machen. Einer der Auszubildenden stellte seinen Arbeitsplatz in der Lokalpresse vor. Als neuer Arbeitsplatz kam für einige Mitarbeiter:innen ein neues Gießereitechnikzentrum hinzu, das Grundlagenforschung ebenso ermöglichen soll wie den Wissenstransfer energie- und ressourceneffizienter Produktionsverfahren in Industrie und Wirtschaft. Ein anderes Projekt sorgte für den Zugang zu kulturellem Wissen und Erbe: Durch einen Kooperationsvertrag zwischen Universität und Stadt Kassel wurde die Digitalisierung von Beständen aus dem Nachlass der Brüder Grimm begonnen.